Von Christian Rath. Stuttgarter Nachrichten, 04.07.2019

Remo Klinger vertritt als Anwalt die Deutsche Umwelthilfe. Seine Arbeit ist erfolgreich, und es geht nicht nur um Umweltschutz.

Stuttgart – „Ich hasse es, vor Gericht zu verlieren“, sagt der Anwalt Remo Klinger über sich. An diesem Donnerstag hat er erneut gewonnen. Der Bundesgerichtshof (BGH) lehnte eine Klage gegen die Deutsche Umwelthilfe (DUH) ab. Es ist nicht „rechtsmissbräuchlich“, wenn die DUH Unternehmen abmahnt. Bekannt wurde der 49-jährige Klinger vor allem durch seine Diesel-Klagen im Auftrag der DUH. Dabei ist er nicht nur ausführendes Organ, er hat die Klagewelle sogar selbst konzipiert. Schon 2004 schlug er verschiedenen Umweltverbänden vor, Städte zu verklagen, um EU-Luft-Grenzwerte durchzusetzen. Der Bund für Umwelt und Naturschutz sah damals keine Erfolgsaussichten. Dagegen hatte der Geschäftsführer der Umwelthilfe, Jürgen Resch, einen besseren Riecher und gab Klinger das Mandat.
Zunächst ging es um Feinstaub. Klagen konnten damals nur Anwohner von Messstellen. Schon die ersten Klagen hatten Erfolg. Der Europäische Gerichtshof bestätigte, dass Bürger ihr Recht auf gute Luft gerichtlich durchsetzen können. Später traten neue Grenzwerte für Stickstoffdioxid in Kraft. Ab 2010 vertrat Klinger auch hier DUH-Musterklagen, zunächst wiederum von Einzelpersonen. Erst 2013 erkannte das Bundesverwaltungsgericht an, dass es hier auch ein Klagerecht für Verbände gibt, nun konnte die DUH selbst klagen. Die Durchsetzung dieses Verbandsklagerechts war einer der größten Erfolge Klingers, weil die Justiz mit uralten deutschen Traditionen brach.

Inzwischen führt die Deutsche Umwelthilfe Klagen gegen 35 Städte mit überhöhten Stickstoffdioxid-Werten, ganz überwiegend erfolgreich. Das wichtigste Urteil erging im Februar 2018. Damals entschied das Bundesverwaltungsgericht, dass die Behörden auch Diesel-Fahrverbote verhängen müssen, wenn sonst nichts hilft.
Der erste Kontakt Klingers zur DUH entstand schon Anfang der Nuller-Jahre im Kampf um das Dosenpfand. Der Einzelhandel und die großen Getränkehersteller wollten das Pfand auf Einwegflaschen und -Dosen verhindern und starteten bundesweit Tausende von Klagen bei allen Verwaltungsgerichten. Auf der anderen Seite standen der Staat, die Getränkegroßhändler, der Automatenhersteller Tomra und die DUH. „Das war neben dem Atomausstieg die größte wirtschaftsrechtliche Auseinandersetzung in Deutschland“, erinnert sich Klinger. Am Ende wurde mit seiner Hilfe das Dosenpfand durchgesetzt.
Trotz seiner Verdienste ist Klinger nicht unangefochtener Champion der Umweltverbände. Denn er arbeitet nicht nur für Umweltschützer, sondern auch für den Staat. So vertrat er etwa den Berliner Senat in den Schließungsverfahren der Flughäfen Berlin-Tegel und -Tempelhof oder das Land Mecklenburg-Vorpommern in der Auseinandersetzung um einen Flugplatz, der an ein Vogelschutzgebiet grenzt.

Arbeit für den Rechtsstaat
Klingers Leidenschaft gilt dem Umweltrecht nicht, weil er sich als Super-Ökologe fühlt, sondern weil hier vieles im Fluss ist und er mit innovativen Lösungen auch Rechtspolitik betreiben kann. Von seinen Mandaten kommt auch nur die Hälfte aus dem Umweltrecht, fast ebenso wichtig sind das Baurecht und andere Bereiche des Öffentlichen Rechts. Immer wieder sind auch politisch spannende Fälle dabei. So erhob er im Mai im Auftrag der Gesellschaft für Freiheitsrechte Klagen gegen die Vorratsdatenspeicherung von Fluggastdaten. Und für die Opfer und Angehörigen eines Fabrikbrandes in Pakistan verhandelte er mit der Textilfirma Kik, die Schadenersatz zusagte. Eine Schmerzensgeldklage scheiterte jedoch in diesem Frühjahr an Feinheiten des pakistanischen Verjährungsrechts. Oft arbeitet Klinger bei solchen Klagen „pro bono“, also zu sehr günstigen Konditionen. „Das ist Arbeit für den Rechtsstaat“, sagt der Anwalt dazu.
Remo Klinger, der in Osterburg bei Stendal (Sachsen-Anhalt) aufgewachsen ist, könnte aufgrund seiner Arbeit einer der meist gehassten Anwälte Deutschlands sein. Doch die Gegner der Umwelthilfe in Medien, Verbänden und Parteien schießen sich eher auf den DUH-Geschäftsführer Jürgen Resch ein als auf seinen stets freundlich und besonnen wirkenden Anwalt Klinger. Selbst nach dem Durchbruch für Fahrverbote beim Bundesverwaltungsgericht bekam Klinger nur eine einzige wütende E-Mail. Ein Mann aus Thüringen beschimpfte ihn als „porschefahrenden Anwalt“. Klinger schrieb höflich zurück, dass er trotz seiner drei Kinder nur einen kleinen Toyota Auris Hybrid fahre. Der wütende Thüringer entschuldigte sich. Auch das ein kleiner Erfolg.